02.05.2017
Es ist ohne Frage eine der ungewöhnlichsten Geschichten, die das Schützenwesen in Bislich in seiner langen Historie zu verzeichnen hat. Umso schöner, dass diese Geschichte nun zum 150-jährigen Bestehen der Allgemeinen Kompanie der Schützengemeinschaft Bislich erzählt werden kann.
Foto links
Fahnenweihe 1927
Es geht um eine Fahne, genauer gesagt um die zweite Fahne, die der Allgemeine Schützenverein im Jahr 1927, also vor exakt 90 Jahren, angeschafft hatte.
In den Wirren des Zweiten Weltkrieges war sie leider verlorengegangen. Niemand wusste etwas über ihr Schicksal und mit der Zeit verblasste die Erinnerung an ein Monument der Vergangenheit.
Doch im August des vergangenen Jahres wendete sich das Blatt plötzlich. Da erhielt Schützenpräsident Thomas Jansen einen Brief aus England. Und was beinahe unglaublich klang, stellte sich schnell als Tatsache heraus. Brian Woodall, ein Mitarbeiter des Dachverbandes für Kleinkaliber- und Luftgewehrschützen, war beim Auktionshaus Ebay auf eine Fahne aufmerksam geworden und bot sie nun der Schützengemeinschaft an.
Der Engländer war aufgrund seiner Tätigkeit als Mitorganisator von internationalen Schießwettbewerben, die ihn unter anderem nach München und Dortmund geführt hatten, mit dem deutschen Schützenwesen durchaus vertraut. Und so wurde ihm bei genauerer Ansicht der Fahne schnell klar, dass deren Herkunft in Bislich zu suchen war. Recherchen im Internet bestätigten seine Vermutung: es handelte sich tatsächlich um die Fahne des Allgemeinen Schützenvereins, die vor mehr als 70 Jahren verlorengegangen war.
Wodall sah sich nun mit zwei Möglichkeiten konfrontiert: entweder er würde die Allgemeine Kompanie auf die Auktion aufmerksam machen, damit diese die Fahne selbst ersteigern könnte. Oder aber er würde selbst ein Gebot für die Fahne abgeben. Er entschied sich für letztere Option, weil er der Auffassung war: "Es ist falsch, dass ein Schützenverein eine Fahne zurückkaufen muss, die ihm doch gehört und künftig auch wieder gehören sollte."
Und so setzte er sein Gebot nach eigener Aussage so hoch an, dass niemand auf den Gedanken käme, bei der Ersteigerung der Fahne mitzubieten. Für Woodall war es letztlich "ein Vergnügen, einen 70 Jahre alten Fehler wieder gut machen zu können". Doch Woodall begnügte sich nicht mit dem Erwerb der Fahne. Er begab sich auch auf Spurensuche, wie das historische Stück denn nun auf die Insel gelangt war, in wessen Besitz es sich befunden hatte und wie es dort behandelt worden war.
Eine gesicherte Erkenntnis darüber, dass die Person, die die Fahne nach England gebracht hat, auch die Person ist, die sie sich nach dem Krieg in Bislich angeeignet hatte, gibt es nicht. Hatte sich der "Dieb" ein Andenken aus Deutschland mitnehmen wollen, benutzte er sie als Verpackungsmaterial oder war sie Gegenstand einer Plünderung - alles ungeklärte Fragen.
Fakt ist, dass ein junger Mann, der zu Beginn des Krieges 14 Jahre alt war, die Fahne nach England brachte. Später muss sie dann im Besitz eines Mannes gewesen sein, der keinen Blick für den historischen Wert der Fahne besaß. Sie wurde als Wanddekoration oder Sofadecke benutzt und ein Papagei hatte die meisten goldenen Fäden im Bereich der Beschriftung herausgezogen.
Doch Woodals Ehrgeiz hinsichtlich der Bislicher Fahne war immer noch nicht gestillt. Er erkundigte sich, ob eine Restaurierung der Fahne realisierbar wäre. Dass dies möglich sei, war für ihn das i-Tüpfelchen bei seinem Vorhaben, die historische Fahne seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben.
Mit diesen Infos schickte er die Fahne im November des vergangenen Jahres zurück nach Bislich. Zurück an den Ort, von dem sie vor mehr als 70 Jahren verschwunden war. Die Allgemeine Kompanie hat zu ihrem 150-jährigen Bestehen ihre 90 Jahre alte Fahne zurück - ein besseres Geburtstagsgeschenk hätte es kaum geben können.